Raus aus seinen Kleidern

Film / Video, 1999

aufgenommen auf 16 mm Film, verfügbar als 16 mm Film, DigiBeta und DVD, Farbe, Ton |7 min (Filmversion oder Loop) Format: 4:3 Sprache: Deutsch mit engl. Untertiteln

Weitere InformationRegie, Darstellerin, Text,
Sprecherin: Corinna Schnitt
Kamera: Justyna Feicht, Jens Ludwig
Licht : Karin Seeling,Tschekideh Shachabian
Koordination: Rebecca Breunig
Drehort: Offenbach
Übersetzung: Lucy Harvey
Produziert mit freundlicher Unterstützung: Hessische Filmförderung

Synopsis

Was muss man tun, umsich wohlzufühlen? Aus dem Off ertönt die eindringliche Stimme einer jungen Frau, die darüber reflektiert, wie die Dinge zu sein haben, und für deren Identitätskonstitution die tadellose Pflege ihrer „Anziehsachen“ fundamental zu sein scheint. Sie wird dabei fast philosophisch, wenn sie einen Wäschetrockner als Ursache und Sinnbild für das Durcheinander und „Unbehagen“ in der Welt erörtert. Das Absurd-Zwanghafte und gleichzeitig Liebenswert-Schrullige, das in ihrem obsessiven Monolog durchscheint, wird auf der Bildebene fortgesetzt: Die Nahaufnahme zeigt eine junge Frau vor einer voll behängten, im Wind flatternden Wäscheleine, die in einer monotonen Bewegung ein Kleidungsstück ausschüttelt. In einer konstanten Bewegung zoomt die Kamera von der häuslichen Idylle weg: Eine Dachterrasse kommt ins Bild, dann eine urbane Landschaft aus stereotypen Büro- undWohntürmen, in der die – paradoxerweise immer noch schüttelnde – Protagonistin zunehmend entschwindet. Schließlich eine überraschende Wendung und die bislang dokumentarisch glaubhafte Szene wird als Fiktion enttarnt. Ein kleinbürgerliches Wohnzimmer wird sichtbar, dann eine Frau in einem Sessel: Es ist die Erzählerin selbst, die, indem sie im Sprechen ihr Alter Ego als Projektion hervorruft, die Sehkonvention, die zur interpretatorischen Verschränkung von Ton und Bild verführt, ad absurdum führt.

Heike Ander

Off-TextAlso, ich finde es unheimlich wichtig, sich wohlzufühlen in seinen Anziehsachen, ich trage meine Klamotten deshalb auch nur einmal, es sei denn, es war so ein richtig schöner Tag, den ich gern in Erinnerung behalte, dann kommt das auch mal vor, daß ich die Sachen anbehalte, aber nach zwei Tagen ziehe ich spätestens was Neues an, was ganz frisch ist.

Aufpassen muß man, je älter man wird, finde ich, ab achtzehn, würde ich sagen, ist es wichtig, mit seiner Wäsche richtig umzugehen. Ich bin jetzt dreiunddreißig geworden und ich mach da eigentlich auch immer mehr für, also es steigert sich echt und es tut mir einfach total gut.

Ich hab eben auch mal eine Phase gehabt, wo ich so ein bißchen geschluddert hab, aber mittlerweile hab ich gemerkt, wie wichtig das ist und ich kann dann meine Freizeit ganz anders genießen, weil ich mich wohlfühl und das ist wichtig und deshalb nehme ich das dann auch in Kauf, wenn das ein bißchen Zeit kostet.

Das ist dann auch manchmal schon das Problem, der Zeitfaktor, gerade so für einen Partner, weil das einfach Zeit wegnimmt und es ist unangenehm, wenn ich sagen muß, ich hab heut abend keine Zeit, ich muß was machen für die Wäsche, das verstehen auch viele Leute nicht und ich merke dann schon, daß mich das in einer anderen Form beschäftigt, als es andere Leute beschäftigt, ja, aber für mich ist es halt wichtig und man muß dann auch irgendwann mal so Prioritäten setzen.

Und die Freunde, die ich hatte, die wollten immer total viel Zeit mit mir verbringen, das war dann eben auch oft ein Problem, ich fand das dann oft viel zu viel, ich finde, dann verliert man auch ziemlich schnell das Interesse aneinander. Also bei einem hatte ich fast den Eindruck, der war regelrecht eifersüchtig auf die Wäsche, was ja völlig absurd ist und der ist mir total auf die Pelle gerückt, das war dann wirklich schon richtig unangenehm und dabei fing es gerade auch sehr nett an mit dem.

Einen anderen Freund hatte ich mal, der war nur an mir interessiert, weil er irgendwie dachte, ich wäre eine gute Hausfrau und der ging dann sogar soweit, zu sagen, das wäre der einzige Grund, weshalb sich Männer für mich interessieren könnten. Also ich weiß bis heute eigentlich nicht, ob er denkt, das wäre ein Kompliment oder nicht, ja und das Komische daran ist auch noch, daß das gar nicht stimmt, also meine Wohnung zum Beispiel, die sieht total chaotisch aus, also man setzt irgendwann halt auch so andere Prioritäten und man weiß einfach dann nach einer Zeit, was einem guttut und was wichtig ist und das mit dem Aufräumen, das steht halt bei mir immer hinten an.

Meine Mutter sagt ja, so wie es bei mir aussieht, da kriege ich nie einen Mann, also ich muß schon sagen, es sieht schon so ein bißchen provisorisch aus bei mir, viele Möbel sind vom Sperrmüll, es gibt auch gar kein Bett, sondern eben nur ein Futon, was auf dem Boden liegt und das findet mein Vater wiederum ganz schrecklich, der sagt ja, es sieht schlimmer aus als im Krieg bei mir, der neigt immer zu Übertreibungen und der will mir immer Geld geben, daß ich mir mal ein Bett kaufe. Und ich gebe halt schon viel Geld aus, aber für andere Dinge. Ich habe ziemlich viele Geräte, technische Geräte, ich habe einen Fernseher, einen Videorekorder, Computer, einen Farbdrucker hab ich mir gekauft, einen Scanner, dafür gebe ich dann einfach Geld aus.

Meine Wohnung ist ja auch teuer, ich habe ja eine riesengroße Dachterasse, aber dafür leiste ich mir halt auch kein Auto und ich nutz den auch wirklich, den Balkon, auch im Winter, kann man das auch, sich schön warm anziehen und mit einem Buch in den Windschatten legen und ich mach das gerne, also mir macht das richtig Spaß und dann kann man mal der Wohnung entfliehen.

Am liebsten hätte ich natürlich gerne einen Mann mit Geld und Kinder, um die sich jemand kümmert, ein Kindermädchen, das ist nur so ein Wunschtraum, daß ich dann noch weiterhin viel Zeit habe für mich. Meine Spezialität sind ja sozusagen Wochenendbeziehungen, da bleibt es lange spannend, man hat genügend Distanz zueinander, man behält einen klaren Kopf und man läßt sich irgendwie nicht zu sehr aufeinander ein.

Ich hab ja schon auch so konkretere Vorstellungen, wie ein Mann zu sein hätte, also zum Beispiel müssen die Beine länger als der Oberkörper sein und die Hände müssen innen schön weich sein, vielleicht jemand, der mit Handschuhen arbeitet, also Handwerker finde ich auch toll, wenn der eben mit Handschuhen arbeitet.

Meine Freundin sagt ja, für sie muß es jemand sein, der mindestens 1.80 groß ist, unbedingt blonde Locken muß er haben und das ist ja eigentlich so ganz praktisch, weil da bleiben einfach nicht mehr so viele potentielle Liebhaber übrig und da ist es dann schon eher ein Problem, wenn man nicht so genau weiß, wie der so auszusehen hat, da sind ja doch dann relativ viele, die in der Gegend herumlaufen und in Frage kommen.

Also, mein letzter Freund, der sah richtig gut aus, nur der war starker Raucher, den konnte ich nur nackt und geduscht in der Nähe ertragen. Das war dann eigentlich auch ganz nett. Zum Glück hat der keinen Trockner benutzt, mit so Leuten komme ich überhaupt nicht zurecht, das ist sozusagen auch eine Maxime von mir, daß ich keinen Mann will, der seine Wäsche in den Trockner tut.

In einem Trockner vermischt sich ja direkt alles mögliche in den Fasern und das spürt man einfach sofort, man kann sich gar nicht wohlfühlen in solchen Anziehsachen. Also das kapiere ich überhaupt nicht, wie man so einen Trockner benutzen kann, wenns da nur um Bequemlichkeit geht, ruckzuck, Wäsche in den Trockner, fertig, dann ja, verstehe ich das irgendwie nicht. Also manchmal versuche ich auch schon mal so Leute drauf hinzuweisen, woran so ein Unbehagen von denen liegen könnte, aber die wenigsten lassen vernünftig mit sich reden, die denken einfach nur, es geht ihnen schlecht und fertig, müssen sie sich mit abfinden und die versuchen gar keinen Grund dafür zu finden.

Ja, und dabei kann man was dran ändern, sich Mühe geben mit der Wäsche, immer welche anziehen, die viel an der frischen Luft gewesen ist und dann siehts gleich ganz anders aus auf der Welt.

Und neulich ist es mir ja auch wieder ganz anders gegangen, da war ich wandern, und obwohl man da ja völlig verschwitzt ist, hab ich nachts in den Klamotten geschlafen, weil ich noch möglichst viel von dem Wohlbehagen haben wollte, dann habe ich aber doch nur Unsinn geträumt. Ja, die Haut, die riecht dann so toll nach Abenteuer, Sonne, Wind, irgendwie so, total toll. Das war dann so ein Moment, da hab ich mich so wohlgefühlt, da wollte ich am liebsten gar nie mehr raus aus meinen Kleidern.

Out of your clothes

Film / Video, 1999

shot on 16 mm film, available on 16 mm Film, DigiBeta and DVD, colour, sound, 7 min (Filmversion or Loop) Format: 4:3 Language: German with english subtitles

More information Director, Performer, Text, Voice-Over: Corinna Schnitt
Camera: Justyna Feicht, Jens Ludwig
Light: Karin Seeling,Tschekideh Shachabian
Koordination: Rebecca Breunig
Location: Offenbach
Translation: Lucy Harvey
Produced with generous support: Hessische Filmförderung

Synopsis

What do you have to do to feel good? The penetrating voice of a young woman intones off. She is reflecting on how things should be and taking immaculate care of her “wardrobe” would seem essential to constituting her identity. She sounds almost philosophical while arguing that a clothes-dryer is the cause of and symbol for the chaos and “uneasiness” in the world. The absurdly compulsive yet appealingly whimsical quality patently underlying her obsessive monologue continues on to the pictorial plane: a close-up shows a young woman in front of a line hung full of washing that is fluttering in the wind. She is shaking out a garment in a monotonous movement. In one continuous movement the camera zooms back fromthe domestic idyll. A roof terrace enters the picture, followed by an urban landscape of stereotyped office buildings and high-rise housing blocks, into which the protagonist – paradoxically still shaking out the piece of clothing – keeps on disappearing. Finally there is a surprising turnaround and the scene, up to now a plausible documentary, is exposed as fiction. A petty bourgeois living room is revealed, then a woman in an armchair: it is the narrator herself, who, in invoking her alter ego as a projection by speaking, makes risible the visual convention that usually induces the interlocking interpretation of sound and image.

Heike Ander

Voice OverSo anyway, I do find it extremely important that you feel good in your clothes. That´s why I only wear them once. Unless it´s been a really nice day that I want to remember, in which case I´ll keep them on, but after two days, at the latest, I´ll put on something fresh. You have to be more careful, I think, the older you get. From about eighteen on, I´d say, it´s important to take care of your clothes properly. I´m thirty-three now, and I actually spend more and more time on it, it`s really increasing, and it simply does me good. I did go through a phase where I slacked off a bit, but since then I´ve realised how important it is, and that I can enjoy my spare time much better because I feel good, and that´s important and that´s why I don´t mind that it takes some time.

Sometimes that´s also a problem, the time I mean, especially with a lover, because it does take up time and it´s unpleasant when I have to tell him that I can´t see him tonight because I have to do my laundry. A lot of people don´t understand it and I realize that it matters to me in a different way than it matters to other people. But to me it´s important and at a certain point you have to chose your priorities.And the boyfriends I´ve had, they always wanted to spend far too much time with me, which was often a problem, and I often found it far too much. You soon lose interest then, I think.

With one guy I almost got the impression that he was jealous of my laundry, which of course is completely absurd, and he got at me about it so much that it really annoyed me, although it started out beinig so nice with him. Another boyfriend I had was only interested in me because somehow he thought that I was a good housewife and he even went as far as to say that this was the only reason for men to be interested in me. I´m still not sure if it was meant to be a compliment or not, and the stupid thing about it is that it´s not even true, I mean, my apartment for example looks like a mess. I mean, at a certain point you chose your priorities and you know what´s good for you and what´s important, and tidying up is just always at the bottom of my list.

My mother says that what with the way my apartment looks, I´ll never find a husband, and I have to say, my apartment does look a bit makeshift. I found most of the furniture on the street and there´s no bed, just a futon lying on the floor. Which is again what drives my father crazy, he says that my place looks worse than during the war– he tends to exaggeration, and he always wants to give me money so I can buy a bed. I spend a lot of money on other things though. I´ve got a lot of technical gear, I´ve got a TV set, a video recorder, a computer, a colour printer, a scanner. That´s what I spend my money on. Also my apartment is expensive. I´ve got a huge terrace on the roof, but I don´t allow myself a car, and I really use the terrace. Even in the winter, you can dress up nice and warm and lie down with a book behind the windbreak. I really enjoy doing that, it´s fun and you can escape from the apartment for a while.

My dream, of course, is a rich husband and kids and someone to take care of the kids, a nanny, so I can still have enough time to myself. My specialty, so to speak, is weekend relationships, it stays more exciting then, and you keep enough distance, you keep your head clear and you don´t get too attached somehow. I also have quite a clear image of how such a man should be – anyway, for example the legs should be longer than the body, and the palms of his hands should be nice and smooth, maybe someone who wears gloves while he works, so I also like hand workers, as long as they wear gloves. My friend says that for her it has to be someone who is at least six foot tall and he has to have blond curly hair which is actually rather practical, because there aren´t so many potential lovers left then, and it´s more a problem when you´re not quite sure what he´s supposed to look like, because then there are so many around to consider. My last boyfriend was really good-looking but he was a heavy smoker and I could only stand him near me when he was naked and had just had a shower. And then it was actually quite nice. Luckily he didn´t use a clothes dryer! I don´t get along at all with those people. That´s also, so to say, a rule of mine, that I don´t want to have a man who tumble-dries his laundry. In a dryer all kind of stuff mixes in with the fibres, and you can feel it right away. You just can´t feel comfortable in clothes like that.

I really can´t understand how people can tumble-dry things! If it´s just a matter of convenience –snap, laundry in the dryer, finished – then, I just can´t understand it. And I sometimes try to explain to these people what the reason could be for a certain discomfort of theirs, but hardly any of them can be talked to rationally. They just think that they don´t feel well and that´s all, they have to accept it, and they don´t even bother to look for a reason. But you really can do something about it. Treat your clothes with care, put on clothes which have been in the fresh air, and then the world looks different.

But recently I had another experience –I´d been hiking and, although I´d been sweaty, I slept with my clothes on, because I wanted the nice feeling to last as long as possible, but then I only had stupid dreams. But at times like that your skin just smells so good – like adventure, sun, wind, so great somehow. That was a situation when I felt so good, I never wanted to get out of my clothes again.