Zwischen vier und sechs

Film / Video, 1997

aufgenommen auf 16 mm Film, verfügbar als 16 mm Film, DigiBeta und DVD, Farbe, Ton 6 min (Filmversion oder Loop) Format: 4:3 Sprache: Deutsch mit engl. Untertiteln

Mehr Information>Regie, Text: Corinna Schnitt
Kamera: Justyna Feicht
Assistenz : Monika Pirch, Josef Schulz
Darsteller: Mr. and Mrs. Oldemeyer, Corinna Schnitt
Drehort: Köln-Vogelsang
Übersetzung: Joanne Moar
Produziert mit freundlicher Unterstützung: Filmwerkstatt Düsseldorf und Stefan Sachs

Synopsis

Eine langsame Kamerafahrt führt durch die menschenleeren Straßen einer bürgerlichen Wohnsiedlung: Einfamilienhäuser ohne besondere Auffälligkeiten, gepflegte Vorgärten, Zäune, Verkehrsschilder. Eine junge Frauenstimme berichtet über den familiären Tagesablauf ihrer Kindheit und wie dieser durch Pünktlichkeit, Ausschluss, Begrenzung und Anpassung charakterisiert war. Ihre biografische Erzählung ist im Ton einer gefühlsmässigen Abspaltung gehalten: Alles war gut. Schließlich berichtet die Erzählerin von einem Ritual, das sie heute, als erwachsene Tochter, mit ihren Eltern pflegt: die Säuberung der örtlichen Verkehrsschilder. Die Bilder von der Familie beim Putzen sind in einer der Künstlerin eigenen, entlarvenden Mischung aus dokumentarischer und inszenierter Ästhetik umgesetzt. Das Lebensumfeld wird durch Außenansichten, bauliche Abgrenzungsmarkierungen von und nach innen, charakterisiert. Der Bericht aus dem Familienalltag gewährt Einblicke in die Innenwelt der Menschen, die ihre Spiegelung sowohl in der Architektur als auch in der absurden Pflege der Ordnungsschilder findet. Der durch Angst motivierte Versuch, alles Übel der Welt von sich fernhalten zu wollen, indem die Kontrollmechanismen des privaten wie öffentlichen Lebens als höchste Werte gepflegt werden, wird zusätzlich ironisch kommentiert, wenn die Kamera, während sie dem Putztrupp folgt, ein Fahndungsplakat einfängt.

Anke Hoffmann

Off-TextBei uns zu Hause gabs einen ganz genauen Tagesplan – wir sind natürlich nach der Schule nach Hause gekommen, das war dann um halb zwei- da gabs ein leckeres Mittagessen, das hatte meine Mutter schon vorbereitet, dann war auch der Tisch gedeckt und manchmal war das Essen schon in Portionen verteilt und auf dem Teller – deshalb war es auch wichtig, daß wir pünktlich kamen, sonst wärs Essen kalt geworden.

Nach dem Essen haben wir uns alle eine Stunde hingelegt – es war eine relativ strikte Mittagspause, es durften dann auch keine Freundinnen anrufen – im Prinzip hat uns das aber auch ganz gut getan, weil wir alle drei Kinder nervlich nicht so stark waren und das hätten wir sonst gar nicht verkraftet – dadurch sind wir auch ganz früh zum Lesen gekommen und sind dann so richtige Leseratten geworden.

Um drei gabs was Leckeres in der Küche, das ging dann meist bis viertel nach drei, halb vier, dann kam die Susanne aus meiner Klasse – die Susanne hatte noch viel mehr schulische Probleme gehabt als ich, ich muß wohl in der Schule gesessen haben und geträumt haben, das hat mal mein Religionslehrer meiner Mutter gesagt, daß man gar nicht gewagt hätte mich anzusprechen, weil ich immer so verträumt und versunken erschienen wär.

Ja, und dann haben wir uns alle an die Schreibtische im Haus verteilt, von meinen Schwestern kam oft auch noch jemand mit Schulproblemen, das hat meine Mutter immer versucht, in den Griff zu kriegen – das hat meist bis fünf, halb sechs gedauert, danach konnte ich tun und lassen, was ich wollte. Ich bin dann oft in den Garten gegangen zum Spielen.

Um halb sieben sind wir alle fröhlich zurückgekommen zum Abendessen – das war dann auch wieder ganz liebevoll vorbereitet von meiner Mutter – also meiner Mutter liegt das Organisieren total und davon haben wir Kinder auch echt profitiert. Dann war mein Vater da und wir haben uns ganz gemütlich zusammen-gesetzt – das ging oft auch viel länger, das ging oft so bis viertel nach sieben, halb acht, dann haben wir dem Vater was von unseren Erlebnissen am Tage erzählt, das war richtig nett.

Danach bin ich dann ins Übezimmer gegangen, um noch eine halbe Stunde Cello zu üben, meistens wollte ich auch, daß meine Mutter dabei ist, ich war wohl sehr anhänglich, noch viel anhänglicher als meine Schwestern und ich hätte das auch nie verkraftet, wenn meine Mutter berufstätig gewesen wär.

Um acht bin ich ins Bett gegangen – eine Zeitlang war das echt ein Problem für mich, als Jüngste immer als erste ins Bett zu müssen, dann ging meine mittlere Schwester oft mit. Die durfte noch lesen und ich mußte schon schlafen, aber für mich war das dann leichter zu akzeptieren.

Meine Mutter ist auch nochmal hoch in mein Zimmer gekommen und hat sich zu mir ans Bett gesetzt und mit mir über den Tag geredet und gebetet. Um halb neun war das Licht dann aus in meinem Zimmer.

Jetzt ist Sonntag immer unser Familientag, da trinken wir sowieso zusammen Kaffee und dann ziehen wir los zum Putzen. Das hat sich so ergeben, weil ichberufstätig bin – ich hab jetzt einfach viel, viel weniger Zeit als früher, deshalb finde ich das auch irgendwie in Ordnung, wenn man dann eben am Sonntag putzt. Eigentlich sollte man ja sonntags nicht arbeiten, aber wie gesagt, samstags unternehme ich auch ganz gerne mal was mit Freunden und damit das so eine Regelmäßigkeit hat, hat sich der Sonntag einfach angeboten.

Wir schaffen an einem Sonntag vier, fünf Schilder, das heißt, das eigentliche Putzen geht ganz schnell, ruckzuck, das dauert vielleicht fünf Minuten und das, was dann doch länger dauert, ist das Aufbauen der Leiter und das Hin und Herlaufen – also je nachdem wie weit die Schilder auseinanderstehen, dauert das einfach auch, weil man dabei ja Wege zurücklegen muß.

Mein Vater hat auf einem Stadtplan die Schilder verzeichnet und der notiert sich genau, wann wir welches putzen. Für ihn ist es eine neue Aufgabe nach seiner Pensionierung und ihm macht das richtig Spaß.

Wir benutzen eigentlich nur Pril, das reicht schon, nur bei richtig schlimmen Flecken, da nehmen wir dann doch eine Bürste und haben entweder Ata oder Bliss dabei, aber in der Regel braucht man gar nicht so ein scharfes Zeug, das geht eigentlich ganz gut mit Pril. So ein bißchen Pril ins Wasser und dann einen weichen Lappen nehmen.

Der Nachbar von gegenüber, der ist auch mal eingesprungen, als mein Vater mal krank war und bei dem ist es sogar so, der würde am liebsten immer mitkommen, um zu helfen, dem hat das richtig viel Spaß gemacht und den muß man jetzt immer fast bremsen – wir machen das natürlich auch ganz gerne in unserer Familie und es ist eigentlich schön, daß wir alle noch können, also daß meine Eltern da noch mitziehen und es ist einfach toll, wenns was gibt, was eben eine Familie auch verbindet- sowas wie eine gemeinsame Unternehmung und ich bin einfach froh, daß sich das bei uns so von ganz alleine ergeben hat, daß man da gar nicht lange drüber nachdenken mußte, was man denn da gemeinsam tun kann….

Ja, sonntags treffen wir uns um drei Uhr und trinken ganz gemütlich zusammen Kaffee und essen Kuchen, ist ja dann Sonntag, ist ja was Besonderes – währenddessen telefonieren wir meistens schon mit meinen Schwestern. Es gibt ja doch immer Neuigkeiten in der Woche und so, dann tauschen wir uns meistens beim Kaffee eben aus.

Between four and six

Film / Video, 1997

shot on 16 mm film, available on 16 mm Film, DigiBeta and DVD, colour, sound, 6 min (Filmversion or Loop) Format: 4:3 Language: German with english subtitles

More InformationDirector, Text, Voice-over: Corinna Schnitt
Camera: Justyna Feicht
Assistant: Monika Pirch, Josef Schulz
Performers: Mr. and Mrs. Oldemeyer, Corinna Schnitt
Location: Köln-Vogelsang
Translation: Joanne Moar
Produced with generous support: Filmwerkstatt Düsseldorf and Stefan Sachs

Synopsis

The camera pans slowly through the deserted streets of a middle-class suburb: singlefamily houses with nothing unusual about them, well tended gardens in front, fences, road signs. The voice of a young woman reports on the way her family spent their days when she was a child and how this was characterised by punctuality, exclusion, limitation and conformity. Her biographical narrative is related in a tone of emotional detachment: everything was ok. Finally the narrator reports on a ritual that she observes with her parents as their grown-up daughter: cleaning the local road signs. The pictures of the family cleaning them have been translated into the blend of documentary and staged aesthetic that is peculiarly the artist’s own. The personal environment is characterised by outside views and architectural delimitation markings from within and inwards. This report from everyday life in a family provides insights into the inner world of people who find their mirror-image both in architecture and in the absurd care taken of the road signs. The attempt motivated by fear to keep all evils of this world far fromoneself by assigning the highest value to the control mechanisms of private and public life, is further ironically commented on when the camera captures a wanted poster while it is tracking the cleaning brigade.

Anke Hoffmann

Voice OverBetween four and six (Zwischen vier und sechs / 6 minutes) We had a strict routine at home- when we got back from school, which would have been about half past one, my mother always had a delicious cooked dinner waiting for us. The table was always set when we got there and sometimes the meal was already dished on our plates – it was quite important that we arrived on time, otherwise the food would have got cold.

After the meal we all had an hours lie down – this was a strictly adhered to afternoon nap, none of our friends were allowed to call during this time, which was actually a good thing, as all three of us had quite a nervous dispostion and we wouldn’t have coped with it at all well – anyway it meant that we all started reading quite early on and quickly became proper little bookworms.

At three afternoon tea was already waiting for us in the kitchen, that usually went until quarter past, half past three, when Susanne, a girl from my class, came around. Susanne had even more problems at school than I did. Apparently I used to sit there and daydream – at least that’s what my religious eductation teacher once told my mother. He said that he didn’t dare speak to me because I always seemed to be absorbed in my daydreams. Well and then we distributed ourselves around the various desks around the house. Quite often a friend of one of my sisters with problems at school would come too and my mother would always try to get things under control. It usually took until about five or half past five after which I was free to do what I wanted. I often went and played in the garden.

At half past six we all came back in for dinner which my mother had once again lovingly prepared for us. My mother is very good at organising things and this is something that all three of us children really profited from. Then my father got home and we all sat down together, that often went on for longer, until about a quarter past, half past seven and we told father about the adventures of the day – it was always a nice time. After that I went into the practise room to practise my cello for half an hour, I usually liked my mother to be there, I was a very dependent child, much more dependent than my sisters and I would have never coped if my mother had had a job.

At eight o’clock I had to go to bed, for a while that was a real problem for me – being the youngest and having to be the first to have to go to bed, so my middle sister often went with me. She was allowed to read but I had to go to sleep, but it was easier for me to accept then. My mother then came up to tuck me in and we talked about the day and prayed together. At half past eight it was lights out in my room.

Now sunday is our family day, we always have a coffee together and then go out and clean. I work now so I simply have lot less time than I used to, that’s why I somehow think it is OK to clean on Sundays now. You shouldn’t really work on sundays but as I said I quite often like to do things with friends on saturdays so to make it a regular thing Sunday had to be the day.

We usually manage four or five signs each Sunday, the actual cleaning doesn’t take long at all, about 5 minutes maybe. What takes the most time is setting up the ladder and walking backwards and forwards, so depending on how far apart the signs are it simply takes time because we have to walk such a long way.

My father has marked in the signs on a street map and always notes down exactly when we clean each one. It’s a new task for him in his retirement and he really enjoys it. We only use PRIL, that does the job, for the toughest stains we occasionally have to use a brush and we always have ATA with us, but on the whole it’s not necessary to use such a harsh cleaner, it works as well with PRIL. A little bit of PRIL in some water and then a soft cloth.

The neighbour from across the road helped us out once when my father was sick and he enjoyed it so much that he would do almost everything to help out regularly. He really loved it and it’s all we can do to stop him from coming along each weekend. We do like to keep it a family thing and it’s good that we all still can – that my parents are still able to come along too. I think it’s really important that a familyhas something that holds it together – something that we can all do together.

I am happy that it just all fell into place for us and that we didn’t have to spend too much time thinking about what it was that we could do together. Well, we meet every Sunday now and at three we sit down and have a cup of coffee together and eat some cake – afterall it is Sunday, a special day – and usually we have a chat on the phone to both my sisters. There is almost always something new that has happenend in the week and we always share this over a nice cup of coffee.
Translation: Joanne Moar